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Gast (nicht überprüft)
Winkelfehlsichtigkeit und Augenärzte

In der Zeitschrift für Legasthenie erschien ein Artikel, der sich mit dem Nutzen von Prismen beschäftigt. Geschrieben hat ihn ein Augenarzt (Komerel). Jetzt tauchen bei mir Eltern auf, die vom Inhalt verunsichert sind. Als Kinderarzt wünschte ich mir Reaktionen von den Optikern oder auch direkt hier im zur Zeit interessantesten Forum zu diesem Thema, die ich den Eltern mitgeben kann.
Viele Grüße und weiter so

Bild des Benutzers Franziska Kubsch
Verbunden: 26. November 2001 - 0:00

Sehr geehrter Herr Dr. Eberling,

ich leite die Selbsthilfegruppe Winkelfehlsichtigkeit seit 2.7.2001 und beschäftige mich mit Winkelfehlsichtigkeit seit Dezember 1995, da unser Sohn betroffen ist. Wir sind bundesweit sowie im Ausland tätig. Ich würde Ihnen gerne Informationsmaterial (kostenlos) zukommen lassen und Sie können gerne die Eltern an unsere Gruppe verweisen.
Franziska Kubsch
Selbsthilfegruppe Winkelfehlsichtigkeit
Tel. 07033-42492, Fax 07033-137225
e-mail Kubschefkj@t-online.de

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Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Sehr geehrter Herr Dr. Eberling

Ich habe auf den Artikel per Leserbrief geantwortet und stelle diesen gerne etwas überarbeitet zur allgemeinen Verfügung.

An den Bundesverband Legasthenie
Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Inhalt des von Prof. Dr. med. G. Kommerell gehaltenen Vortrages von Ihrem 14. Kongress 02, der in Ihrer Zeitschrift 01/03 veröffentlicht wurde, spricht vielen der Ihnen anvertrauten Mitgliederkinder, vorab jede reelle mögliche Chance der Hilfe durch die MKH ab.

Prof. Kommerell hat zwar manches theoretische Wissen über die MKH angehäuft, aber bislang nie selbst praktische Erfahrung gesammelt. Noch im vergangenen Sommer zum Kongress der IVBV hat er, als Referent auf Nachfrage, vor über 300 Teilnehmern diesen Sachverhalt bestätigt. Dies erklärte uns Praktikern einige wesentliche Ungereimtheiten seiner damaligen Ausführungen. Ich finde nun einige Aussagen bei seinem Bericht in Ihrer Zeitschrift, nur in anderer Art und Weise wieder.

1) Latentes Schielen unterscheidet sich von Winkelfehlsichtigkeit (WF).
Dies ist richtig und dennoch zurückzuweisen!
Wichtig wäre jedenfalls der fehlende Hinweis, dass nur die Messmethodik "der Sache" ihren Namen verleiht. Deshalb, und nur deshalb, unterscheidet sich latentes Schielen (Heterophorie) und WF begrifflich voneinander. Bislang lässt sich jedoch nur(!) über die Messtechnik der MKH die gesamte "Fixationsdisparisation (FD)" als echte WF ermitteln und korrigieren. Übrigens war Prof. Kommerell auf eine andere Frage hin bereit, grundsätzlich "FD mit ihren Unterarten" als Möglichkeit zu bejahen, wies aber umgehend sinngemäß darauf hin, "diese sei dann aber nicht notwendiger Weise zu korrigieren". Seine Skizze Abb. 3 suggeriert eine immer wesentlich höhere WF als eine wohl(?) medizinisch feststellbare FD. Manchmal finden sich jedoch nur andere und teilweise sogar niedrigere Endmesswerte der WF.

2) Prof. Kommerell hat Recht und Unrecht, wenn er behauptet, die MKH schaffe sich ihre Korrektionen selbst (s.o.). Wenn Messmethoden, die zwar "korrektionsunsichere Heterophorie“ ermitteln können (diese wird bei 75(!) aller Personen medizinisch bestätigt), aber keine Messwerte der WF bestätigt (der sinnvolle Korrektionsanteil liegt nach einer Statistik durch Güntert mit einem Beschwerdeanteil bei ca. 40%), liegt das eindeutig in der Messmethodik begründet.
Prof. Kommerell zieht daraus für mich die falschen Konsequenzen.

3) Zwar gibt es bei guter Anamnese und Messung nach MKH sicher auch bei Ihren Problemkindern Teilbereiche, die spontan Besserungen aufweisen können. Aber Kinder, die den Stempel der Legasthenie tragen oder ihnen nahe verwandt erscheinen, werden wohl kaum in ihren Hauptproblemzonen spontan gute Leistungen bringen können. Hier zerstört Prof. Kommerell im Ansatz alle Hoffnung auf Erfolg, indem er den "ersten Versuch“ zum "Letzten" bestimmt. Indem er zusätzlich eine aufgebaute Korrektion wieder "zurück-" zuführen empfiehlt, statt sie einem Muskeleingriff zuzuleiten. Hier ließen sich viele Praxisbeispiele anführen. Kein Therapeut, gleich welcher Art, würde bei langjähriger muskulärer und nervlich verspannter Situation nur eine "einzige" Massage ausführen. Und bei einem einseitig verkürztem Bein würde kein Orthopäde die zwischenzeitlich aufgebaute Sohlendicke besser wieder reduzieren, statt einen jetzt erst sinnvoll gewordenem Eingriff vorzunehmen. Prof. Kommerell erwartet dies aber vom Ergebnis „Brille“ durch MKH und rät ansonsten zum Abbruch aller Überlegungen.

Das von ihm so genannte "Kunstprodukt" der MKH macht "latentes Schielen", in den Teilschritten der gemessenen WF durch die MKH "korrektionssicher" umsetzbar in bizentrales beidäugiges Sehen. Hieran scheitern bislang alle Messverfahren der Heterophorie eindeutig. Dies beweist der sehr häufig unbefriedigende Ablauf von derartigen Versuchen in der Praxis. Vor solchem Hintergrund erklärt sich mir auch ein Teil der Skepsis von wissenschaftlich untersuchenden Fachärzten der Augenheilkunde gegenüber der MKH, die sie nur als alternative Heterophoriemethode eingestuft sehen wollen. Dafür reicht ihnen dann allerdings der Kreuztest voll aus, der so betrachtet nur
Paul-Gerhard Mosch
Augenoptiker / Hilchenbach

Zusätzlicher Hinweis als Vater von sieben Kindern
Unsere Familie mit neun Personen hat neun WF-Op's hinter sich. Drei WF-Op's stehen aus. Zwei Kinder haben eine geringe WF ohne jeden Bedarf eines chirurgischen Eingriffes. Zwei andere Kinder hatten zweimal einen Eingriff. Auch wir als Eltern wurden je einmal operiert. Die drei ausstehenden WF-OP's verteilen sich auf die zwei 2x operierten Kinder und auf ein Kind zwecks 2-tem Eingriff. Alle bisherigen OP's liegen schon 11 bis 7 Jahre zurück. Die getragenen Brillenwerte sind mittlerweile sehr langzeitstabil. Das Märchen von immer höheren Fehlwerten lässt sich von uns nicht bestätigen. Es trat in allen Fällen eine Stabilisierung der Werte ein! Die ungünstige Familienanamnese durch beide Seitenlinien der Vorfahren mit Schielfehlern brachte aber anfangs teilweise hohe Korrektionswerte. Erwähnt werden zum Schluß nur kurz die eindeutigen visuellen, aber auch alltäglichen Leistungsgewinne bei allen so Versorgten.

Viele Grüsse

Paul-Gerhard Mosch (PGM)