Hallo,
ich bin in den letzten Monaten schon einige Mal hier durch Forum gegeistert und habe hocherfreut festgestellt, dass es doch mehr Menschen mit einer Winkelfehlsichtigkeit gibt als ich dachte. Leider war mir dieser Begriff bis vor ca 1 1/2 Jahren völlig fremd und ist mir nach einer langen Odyssee mit meinem Sohn bekannt geworden.
Mein Sohn ist ein sehr vielseitig interessiertes Kind, leider konnte er das schriftlich nicht wirklich zeigen. Das Lesenlernen fiel ihm sehr schwer, ich war dann schon mit ihm beim Augenarzt, dort bekam er eine Bifokalbrille verschrieben. Diese hat dann ein bisschen gebracht, aber leider nicht genug.Das Schriftbild war schlecht, die Rechtschreibung katastrophal, die Klassenlehrerin hat zwar auch bei Sachkundetest reichlich Punkte wg. der Rechtschreibung abgezogen, aber sie fand die Fehler im normalen Rahmen. Außer das er unruhig und zappelig ist, hatte er in der Schule wohl keine Probleme. Wenn er nach Hause kam, war er aber regelrecht kaputt, müde, Hausaufgaben dauerten Stunden und er wurde mittlerweile regelrecht aggressiv.
Als ich mir keinen Rat mehr wusste, weder beim Kinderarzt noch in der Schule Unterstützung fand, habe ich mir einen Termin bei einer Lerntherapeutin und Psychologischen Beraterin geholt. Den Termin hatten wir dann Nachmittags nach der Schule und sie hat ihn getestet und kam dann auch zu dem Ergebnis, dass das Schriftbild und die Rechtschreibung alles andere als normal seien, außerdem schweifte er bei dem Gespräch immer ab. Sie hat mir dann mit dem Begriff "Winkelfehlsichtigkeit" konfrontiert. Da Niklas bereits im 3. Schuljahr war und die Zeit drängte (ich konnte mir zu der Zeit nicht vorstellen, dass er in eine normale Schule gehen könnte) hat mich die Therapeutin dahingehend beraten, dass ich unbedingt einen LRS-Test machen lassen soll, auch wenn mein Kinderarzt dies vorher abgelehnt hatte und sie gab mir zwei Adressen von Ärzten, die Ahnung von Winkelfehlsichtigkeit haben.
Ich habe dann den Kinderarzt umgangen und habe dann alle Hebel in Bewegung gesetzt, das Kind wurde auf ADHS und LRS geprüft. Aber beides wurde verneint, die Rechtschreibprobleme sind da, aber es ist keine echte LRS.
Beim Augenarzt lief das ganze dann etwas anders: Nach mehreren Untersuchungen, u.a. dem Polatest kam heraus, das Niklas eine Heterophonie (Winkelfehlsichtigkeit) hat. Er bekam eine Prismenbrille mit insgesamt 10 Prismen und - wie gehabt - einem Leseteil. Der Junge zog die Brille an und hat sie anbehalten, er brauchte keine Eingewöhnungszeit , er kam sofort mit der Brille zurecht und ich hatte von heute auf morgen ein anderes Kind: Hausaufgaben machte er viel selbstständiger, er wurde nicht mehr aggressiv, er schlief mir nicht mehr bei Autofahren ein, die Noten besserten sich. Die Prismenbrille hat mich voll überzeugt, seit einem halben Jahr geht er auf die weiterführende Schule und besucht eine "normale" Realschule plus. Dies hätte ich mir - wie schon erwähnt - noch vor 1 1/2 Jahren nicht zu erträumen gewagt.
Da sich bei der letzten Sehschule im November doch einige Abweichungen ergeben hatten, wurde in der letzten Woche noch einmal ein Polatest gemacht und dort kam dann heraus, dass die Abweichung inzwischen auf 22 cm angewachsen sei und dies vermutlich noch nicht das Ende der Fahnenstange ist. Mir wurde jetzt empfohlen, dass wir auf eine Operation im Sommer oder Herbst hinarbeiten sollen: Niklas soll nun eine Brille in seiner normalen Brillenstärke bekommen, allerdings ohne Leseteil. Dafür soll eine Prismenfolie auf ein Glas aufgeklebt werden (erst 15, dann 20 und 25 Prismen) um die max. Abweichung festzustellen.
Irgendwie bin ich nun verunsichert, ob ich es wirklich wagen soll ein 11-jähriges Kind am Auge operieren zu lassen. Niklas und ich waren natürlich total geschockt und würden natürlich viel lieber eine neue Brille vorziehen. Ist es bei den Stärken wirklich sinnvoll das Kind zu operieren oder doch erst nochmal mit einer Prismenbrille in der hohen Stärke probieren.
Im übrigen hat Niklas auch eine Auditive Wahrnehmungsstörung, dadurch kann sein Gehirn z.B.Geräusche nur sehr schlecht filtern. Aber seit der Prismenbrille hat er auch bei den Untersuchungen wg. der Auditiven Wahrnehmung in der Uniklinik viel besser abgeschnitten. Dies alles scheint wirklich ein Kreislauf zu sein und die Prismen grundsätzlich der richtige Weg!
Entschuldigt meine weiten Ausführungen, aber mir war wichtig das ihr seht, wie das bei Niklas alles zusammenhängt.
Schon mal vielen Dank für eure Tipps.
LG
Susanne
Hallo Susanne,
das beschriebene Vorgehen ist richtig. Es scheint, dass Sie mit Ihrem Kind in sehr guten Händen sind. Meine Tochter ist schon einmal schieloperiert worden und es bringt eine enorme Entlastung im Sehsystem, wenn es richtig gemacht ist. Ihr Schielfehler war über 50 Prismen.
Bei dem Schielfehler in der Größenordnung wie bei Ihrem Sohn geht es leider ohne Operation nicht.
Auch wenn Sie das mit einer stärkeren Prismenbrille hinauszögern, ohne eine Schieoperation bei diesen Stärken ist es auf Dauer nicht zu lösen. Wenn die Arztpraxis sagt, es wird mit Prismenfolien gearbeitet, dann werden deutlich höhere Werte als 22 pdpt erwartet. Dies spricht für eine OP, umso mehr wenn andere Baustellen vorhanden sind. Hier würde ich dem Kind eine Entlastung schaffen.
LG Hesch
Moin Susanne,
ich kann Hesch unbedingt beipflichten.
Viele Grüße
Eberhard
Hallo Hesch,
vielen Dank für deine schnelle Antwort. Ich bin froh, dass Jemand sich gemeldet hat, der selbst diese Erfahrungen gemacht hat. Wie hat deine Tochter die OP verkraftet?? Wie alt war sie da?? Wie habt ihr die Zeit bis zur OP erlebt? Wie hat sie die Umstellung auf die Prismenfolie (evtl. unscharfes Sehen) verkraftet?
Mein Arzt meinte zwar, das die Augenmuskel-OP eine der einfachsten Augen-OPs wäre und das diese schon bei Säuglingen durchgeführt werden.
Mein Sohn hat aber Angst vor der OP (die hätte ich auch ), wie hast du argumentiert um deine Tochter zu überzeugen??
LG
Susanne
Liebe Susanne,
nun, meine Tochter war damals 3 Jahre alt, ich musste sie nicht überzeugen, weil sie es noch nicht realisieren konnte. Nach der OP hat das Auge nur ein wenig gejuckt, eingeschränkt war sie eigenltich gar nicht. Sie hatte 40er Folie 8 Monate bis zur OP getragen, und es hat ihr sehr gut getan. Sie hatte aber keine allmähliche Steigerung der Prismen, wie in Eurem Fall, hatte 40 auf einen Schlag auf die Brille bekommen und trotzdem keine Eingwöhnungsschwierigkeiten damit.
Meine Erfahrung ist, Kinder reagieren, wie Eltern reagieren. Sie schauen sich die Nervosität und Zweifel der Eltern oder auch Überzeugung und Vertrauen, dass alles klappt, ab. Da kannst Du Deinem Sohn also schon helfen.
Wir haben noch eine OP vor uns und da muss ich sie nicht mehr überzeugen, sie sieht, dass ich volles Vertrauen habe und sehr zuversichtlich bin und wünscht sich diese OP, um endlich die dicken Prismen und das Doppeltsehen, was sie sonst ohne Brille hat, loszuwerden.
LG Hesch
@Eberhard
Vielen Dank für dein Statement
@Hesch
Du machst mir wirklich Mut! Ich habe die Hoffnung, dass durch diese OP sich auch die anderen Baustellen von Niklas bessern. Ich ärgere mich immer noch, dass man so schlecht aufgeklärt wird. Ich habe immer alle U-Untersuchungen bei den Kindern gemacht, nach diesen sieht mein Sohn sehr gut und hätte bis jetzt noch keine Brille. Ich habe drei Augenärzte verschliessen, bis nun einer richtig helfen konnte. Wenn ich mir dann überlege, wie viele Jahre der Junge in Kindergarten und Schule unnötig gelitten hat, dann wird mir immer noch schlecht. Ich hätte ihm einige Jahre ersparen können, wenn ich vorher mal von der Winkelfehlsichtigkeit gehört hätte.
LG
Susanne