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Bild des Benutzers Ulrich AO
Verbunden: 12. Juni 2006 - 19:14
Exklusion

Hallo MKH´ler!

Bei mir war heute ein Kunde mit einer stark ausgeprägten Exklusion des rechten Auges. Der monokulare Visus beider Augen beträgt Vcc R/L 1,25. Beim abdecken des linken Auges ist eine Einwärts-Drehung des rechten Auges zu erkennen. Der Kunde berichtete davon als Kind stark geschielt zu haben und das eine Oklusionstherapie durchgeführt wurde.
Während der Augenglasbestimmung erzählte er davon, das er kein Stereosehen habe, ihn das aber im Alltag nicht weiter stört. Er könne halt nicht mit beiden Augen durch ein Fernglas schauen, aber sonst mache dies keine Probleme. Trotzdem fragte er, ob man das Stereosehen wieder herstellen könnte.
Die daraufhin durch geführten Tests zeigten alle eine totale Exklusion des dargebotenen Bildes für das rechte Auge. Auch durch mehrfach durchgeführte Abdecktests des linken Auges wurde kein anderes Ergebnis erreicht.

Gibt es eine Möglichkeit diese Exklusion zu beseitigen?

Vielen Dank im Voraus.
Lutz Ulrich

Bild des Benutzers Eberhard Luckas
Verbunden: 29. September 2002 - 0:00

Hallo Ulrich,

ich glaube kaum, daß noch binokulares Sehen möglich ist. Du könntest einen letzten Versuch machen, mit Covern möglichst den ganzel Winkel prismatisch auszugleichen und dann schauen, ob eventuell Binokularität anspringt.
In ähnlichen, eigentlich aussichtslosen Fällen, habe ich das schon geschafft. Aber beim Polatest war dann das Kreuz nur alternierend oder derjenige sah nur eine Richtung, aber die sensorische Teste waren auf einmal beidäugig.
Wenn Du das ereichst, hast Du schon viel gewonnen.

Viele Grüße

Eberhard

Bild des Benutzers Ulrich AO
Verbunden: 12. Juni 2006 - 19:14

Hallo Eberhard,

vielen Dank für die schnelle Antwort. Ich werde den Kunden mal fragen ob wir das noch probieren wollen.

Übriegens ist Lutz der Vorname, ist immer nicht so ganz eindeutig bei dem Namen.

Grüße Lutz

Bild des Benutzers Paul-Gerhard Mosch
Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Die Exclusion ist unter Prüfraumbedingengen i.a.R. leicht aufzuheben.

Die Frage ist vielmehr, was wird von Dir damit erwartet, bzw. bezweckt. Bevor ich mich hier darüber auslasse, möchte ich deshalb davor warnen, im Prüfraum so ermittelte Werte (ohne grosse Skepsis) einfach in eine Korrektion zu übernehmen. Es könnten bleibende Doppelbilder die Folge sein! Dessen muss man sich klar sein, genauso wie dessen, dass man als Augenoptiker hier in den Behandlungsbereich der Medizin eindringt. Allerdings kann man in seltenen Fällen durchaus auch sehr positive Wege für den Klienten eröffnen, die in jedem Fall engmaschig überprüft werden sollten. Besser ist es jedenfalls, solche Fälle von MKH-erprobten Fachärzten weiter aufbereiten zu lassen, wenn erste Maßnahmen (z.B. erste Testungen) positiv geraten, dies als meine persönliche Empfehlung.

Wie kann man vorgehen? Wenn nicht alternierend gesehen wird, wechselt man auf den Doppelzeigertest und lässt den Kreis fixieren.
Durch "Covern" wird prismatisch auf Einstellbewegung korrigiert. Erkennt man nur noch feinste Flickerbewegungen, fragt man nach Doppelbildern des Prüffeldes. Häufig treten diese schon vorher auf und werden angegeben. Nun kann man die Polfilter derart vorklappen, dass das oft excludierende Auge die Zeiger und das Führungsauge die Skalen am Testbild erkennt. Vom jetzt gefundenen objektiven Winkel (feinste Flickerbewegungen) kann nun -versuchsweise- auf den subjektiven Winkel abgeglichen werden. Hier wird man auf manche individuell auftretenden und wesentlichen Unterschiede stossen. Grundsätzlich hat man aber erstmal die ´Exlusion´ zumindest teilweise abgeschaltet.

Der wichtigste Test bleibt jetzt vorerst immer der Kreuztest, wenn er denn funktioniert, d.h. wenn es hier nicht doch ständig zur Exclusion kommt. Ansonsten muss man (in diesem Fall leider!) mit Zeiger- und Hakentest vorlieb nehmen. Denn die zentralen Fixationsreize können hier zu ´falschen´ Ergebnissen leiten. Genau konträr gegenüber einer WF-Messung, bei der ich an den FD-Testen richtigere Messwerte erwarte. Man denke daran, dass hier bizentrale Verarbeitung unterdrückt wird und parazentral völlig falsche Verknüpfungen angelegt sein könnten. Dies ist auch eine Ursache für anfangs unberechenbare Messwertsprünge, denen man im Falle einer Versorgung bei positiver Entwicklung unbedingt folgen muss. Sonst steht man sehr schnell im Abseits und der Klient wird den Korrektionsversuch abbrechen wollen. Auch ein Korrektionsabbruch sollte aber wegen der latenten Gefahr von Doppelbildern besser unter Kontrolle geschehen. Günstig ist es hier natürlich, wenn das Sehen immer wieder in ein excludierendes Sehen verfällt, aber gerade dies will man ja abstellen. Und hier ist der Pfad anfangs sehr schmal, zwischen einfacher binokularer Sehqualität und dem Ausbrechen zu einem Doppelbild-Seheindruck. Andererseits ist gerade hier die Testung mit den MKH-Testbildern und der uns bekannte Umgang mit feinsten Prismenabstufungen allen üblichen Methoden gegenüber im Vorteil. Ich denke, diese Ausführungen erklären meine o.g. Empfehlung.

Im einfachsten Fall ergibt sich unter dem vorkorrigierten objektiven Winkel (Covern), weder in der Ferne noch in der Nähe ein Doppelbild, und am Polatest-Kreuz ist nur ein geringer Wertewechsel notwendig (objektiver = subjektiver Schiel:wink:el). In diesem ´selten´ vorkommenden positiven Fall kann man einem Kunden sehr leicht und schnell optimal helfen, auch wenn man selbst in diesem Fall noch mit nachträglich plötzlichen Wertänderungen rechnen sollte. (Nachkontrollen sind sehr wichtig und sollten anfangs kurzzeitig erfolgen) Aber in den allermeisten Fällen darf man sich darüber im Klaren sein, dass das ´Ecludieren´ eine evtl. sogar antrainierte Form der Bewältigung von Sehproblematik ist, die bewust gesucht und eingestellt wurde um mit beiden Augen ´alternierend´ monokular hohe Sehschärfe halten zu können.

Zerstört man diesen Zweckverbund, können schwerste binokulare Störungen offengelegt werden, die keinesfalls einfach zu kontrollieren sind. Deshalb existiert auch die latente Gefahr bleibender Doppelbilder.
Selbst bei einer Testung im Prüfraum (die nicht zu ´bleibenden´ Doppelbildern führt) könnten anschließend im ungünstigsten Fall noch stundenlang Doppelbilder stören, wenn man den Kunden einfach entlässt und diesen nicht in diesem Punkt sauber beraten hat. (Hier dürfte in erster Linie "Angst" zu diesem nachhaltigen Effekt führen) Richtig vorgegangen, setzt die Exclusion sehr schnell wieder ein (indem das Prisma erst zurückgeführt wird) und ein Doppelbildeindruck wird verhindert bzw. rasch abgebaut.

Beim alternierenden Fixieren kann man zwar genauso starten, aber wenn sich nicht sehr schnell ein Einrasten der Bilder binokular zeigt, hat man es hier generell mit einem sehr intelligent reagierendem System zu tun, welches man am Besten so belässt und nicht grossartig stört. Nach meiner Erfahrung wird man hier das alternierende System nicht ´langfristig´ -also auf Zeit gesehen- komplett aufbrechen können. Der Sehsinn stellt sich bei geringsten Unstimmigkeiten immer wieder in diese Form des alternierenden Excludierens zurück und die prismatischen Ergebnisse springen in Höhe und Seite. Auch bei beiderseits hohem Visus ist der Erfolg eher fragwürdiger. Günstiger sind dagegen eher die Fälle mit eindeutiger Führung eines Auges, oft ist hier auch weniger vorbehandelt worden, was die Prognose eher günstig beeinflusst. Hier liegen aber häufig eher hohe Fehlwerte vor, die bislang oft noch nicht operativ korrigiert wurden.

Beachte
Gerade Fälle mit hoher monokularer Sehschärfe beiderseits und keinem oder nur geringem Beschwerdebild sollten besser nicht angegangen werden! Und ich habe in diesem Beitrag ganz bewust von `Testung´ nicht von ´Messung´ gesprochen. Nur wenn eindeutig binokulares Einfachsehen anspringt, sollte man als Augenoptiker überhaupt überlegen, ob ein ´Korrektionsversuch!´ gewagt werden soll. Ich rate hier immer erst zu einer medizinischen Konsultation eines der leider sehr wenigen MKH-Spezialisten. Je grösser die Belastungen im Sehen sind, desto notwendiger wird es hier eine Lösung aufzuspüren.

Viele Grüße:

Paul-Gerhard Mosch (PGM)

Bild des Benutzers Ulrich AO
Verbunden: 12. Juni 2006 - 19:14

Hallo Paul-Gerhard,

Danke für die ausführliche Antwort. Beide Antworten ( Eberhard und Paul-Gerhad ) haben mich ein ganzes Stück weiter gebracht.
Ich denke jedoch, dass ich das ganze mit einer Erläuterung der Situation für den Kunden belasse, vorallem, weil er nahezu völlig bescherdefrei ist und das Binokularsehen nur eine positive Zugabe wäre.

also nochmals vielen Dank
Lutz