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Bild des Benutzers Frühkindl.Schielsyndrom
Verbunden: 20. Dezember 2019 - 10:53
Frühkindl. Schielsyndrom, DVD, Strabismus sursoadd., Nystagmus vom Latenstyp u. Kopfneigungszwangshaltung

Liebe fleißige Forum-Schreiber,

seit einiger Zeit recherchiere ich ab u. zu in diesem Forum u. suche nun euren konkreten Rat in dem speziellen Fall unseres 7-jährigen Kindes. Unsere Fragestellungen dabei sind:

- Sollte unser Kind eine Prismenbrille tragen?
- Braucht es zudem Gleitsicht?
- Kann die Prismenbrille die Kopfneigungszwangshaltung verbessern?
- Ist es möglich, dass sich die Kopfhaltung erst nach einiger Zeit verändert?
- Kann die Prismenbrille auch "schaden"? (echter Schieler/Restschielwinkel/Mikrostrabismus, evtl. anormale Netzhautkorrespondenz)
- Ist eine OP gegen das Höhenschielen möglich? Kann diese die Kopfneigung verbessern?
- Könnte die Kopfneigung nach links durch den Strabismus sursoadductorius des rechten Auges verursacht sein? (Kopfneigung bei Blick monokular links nicht vorhanden)

Anbei die Eckdaten:
- Frühkindl. Schielsyndrom diagnostiziert mit 3 Monaten, Augenklinik Gießen
- 1. Brille mit 6 Monaten, jahrelange Abklebebehandlung/Okklusionstherapie
- Vollbild der Symptome des Frühkindl. Schielsyndroms:
* Hyperopie
* Esotropie
* Astigmatismus
* rechtes Auge: Strabismus sursoadductorius
* beide Augen: Dissoziiertes Höhenschielen (DVD), laut Gießen ist das Höhenschielen vorrangig eine DVD (weniger Surso)
* Nystagmus vom Latenstyp
* präoperativ: Kopfzwangshaltung mit Kopfdrehung, Kopfkippung u. Kopfneigung
* postoperativ: Kopfneigungszwangshaltung nach links (ca. 10-15°) bei beidseits geöffneten Augen (monokular linkes Auge: keine Kopfneigung vorhanden)
- Schiel-OP mit 5,5 J. (vor 1,5 J.) Augenklinik Gießen: Musculus rectus medialis-Rücklagerung u. Myopexie (beidseits)
- Höhenschielen wurde bewusst (noch) nicht korrigiert

Siehe hierzu die beigefügten Befunde (kurz vor u. nach der OP sowie 6 Monate nach der OP)

Ein versierter MKH-Optiker hat vor 2,5 Monaten eine Prismen-Gleitsicht-Brille angefertigt, mit dem Ziel die Kopfseitneigung zu korrigieren. Mit dieser ist die Kopfneigung jedoch noch nicht besser geworden. Allerdings ist der Visus bei eng aneinandergereihten C-Ringen damit deutlich besser (RA 100%, LA 60%, mit alter Brille ohne Prismen nur RA 60%,LA 30-50%) u. der "Pfostentest" ist im Vergleich mit den beiden Brillen bei der Prismen-Gleitsicht-Brille deutlich besser. Unser Kind bevorzugt die Prismenbrille außerdem gegenüber der alten Brille, wo es "Nebel" sehe.
Der Optiker fertigte eine Gleitsichtbrille, da er beim Heranführen eines Stifts zur Nase eine Konvergenzschwäche u. beim Nah-Visus-Test (Leseprobe) nur einen Visus von 50% feststellte. Er schloss daher auf eine Akkomodationsschwäche, weshalb Gleitsicht nötig wäre. Er stellte zudem eine anormale Netzhautkorrespondenz fest u. einen Drehnystagmus in beide Richtungen (Iris dreht sich nach links u. rechts). Bei den MKH-Tests usw. war hin u. wieder Simultansehen vorhanden. Dies schwankt aber offenbar sehr.
Die Werte der Brille sende ich ebenfalls im Anhang.

Letzte Woche waren wir bei einem MKH-Augenarzt, der die Werte der Prismenbrille nicht als korrekt einordnet, da die Kopfhaltung sich damit nicht verbessert hat. Er konnte aber aufgrund der stark schwankenden Schielwinkel u. Angaben unseres Kindes keine eindeutigen Werte ermitteln. Auch eine OP gegen das Höhenschielen käme daher aktuell nicht in Frage. Bei ihm war der Schober-Test mit der Prismenbrille in Ferne u. Nähe zeitweise positiv. Wing-Test u. Lang I und II-Test waren negativ.

Zu der aktuellen Brille haben wir also nun wieder mehrere Meinungen u. suchen daher nach weiteren Ratschlägen, um einer optimalen Versorgung näher zu kommen.

Unser Kind ist letztes Jahr eingeschult worden. Die Schrift ist mit alter u. neuer Brille gut. Die Lesefähigkeit ist aktuell noch nicht zu beurteilen, da das Lesen gerade erst gelernt wird. Es sind aber Defizite in der Konzentration, dem Ausmalen, Ausschneiden, korrekten Falten von Papier, insgesamt der Grob- u. Feinmotorik vorhanden, zur Zeit manifestiert sich mehr u. mehr ein Stottern.

Wir danken euch bereits im Voraus für jeden Hinweis, denn alles kann uns einen Schritt weiter bringen.

Herzliche Grüße
Christina

Bild des Benutzers Eberhard Luckas
Verbunden: 29. September 2002 - 0:00

Moin,

Prismenbrille ja, Gleitsicht : kommt auf den Versuch an. Ist bei den Prismen auch der Höhenfehler korrigiert, wird die Kopfzwangshaltung verringert. Schaden kann die Prismenbrille nur dann, wenn die Prismen falsch sind.

Normalerweise wird die Kopfzwangshaltung bei exakter Höhenbestimmung sofort verringert.

Hat man gesagt, warum die Höhe nicht operiert werden sollte?

Viele Grüße

Eberhard

Bild des Benutzers Frühkindl.Schielsyndrom
Verbunden: 20. Dezember 2019 - 10:53

Hallo Eberhard,

vielen vielen Dank für deine Anwort!
Zur Empfehlung der Gleitsicht kam der Optiker wie gesagt wegen:
- Konvergenzschwäche beim Heranführen eines Stifts zur Nase (rechtes Auge folgt da manchmal nicht so gut)
- Akkomodationsschwäche (monokulare Sehkraft 50% beidseits ermittelt),
- Angaben beim Amsler-Test u.
- wegen des Nystagmus vom Latenstyp (Ziel, diesen durch Gleitisicht zu beruhigen?)
Die "normale" Augenärztin (ohne MKH) sagt, unser Kind habe weder eine Akkomodationsschwäche (hat sie aber soweit ich weiß zumindest mit Nahleseprobe noch nie getestet) noch einen Konvergenzexzess, bei dem Excelit-Gläser indiziert wären.

Haben inzwischen noch einen weiteren MKH-Augenarzt aufgesucht, der Gleitsicht nicht nötig findet: Nahleseprobe binokular 100%. Es sei höchstens eine "Akkomodationsmüdigkeit." Er hat mehr Seitenprismen ermittelt u. das Höhenprisma reduziert, da die Kopfhaltung damit besser erschien. Es folgt nun ein neuer Versuch mit neuer Brille.

Die Ergebnisse beim MKH etc. schwanken sehr. Der Abdecktest ist z.B. durch den Nystagmus sehr schwer zu bewerten. Manchmal scheint Simultansehen vorhanden (Kreuz gesehen), oft wieder nicht. Mal wird auf dem Lang-Test scheinbar etwas erkannt, dann wieder nichts. Bagolini war einmal positiv, Titmus-Fliege war mal fraglich. Schober letztens positiv beim MKH-Arzt.
Das Höhenschielen ist laut Augenklinik v.a. ein dissoziiertes, d.h. die Schielwinkel schwanken. Dementsprechend lässt sich offenbar das Höhenprisma sehr schwer bestimmen. Ein Surso (RA) spielt auch noch mit hinein.

Die OP gegen das Innenschielen kann sich beim frühk. Schielsyndrom bereits auf das Höhenschielen auswirken. Daher hat man dies abgewartet. Die Klinik sagt, dass man sich von einer OP gegen das Höhenschielen keine Besserung der Kopfneigung erwarten solle. Die OP trage außerdem das Risiko, dass das Höhenschielen auf einem Auge besser wird, sich aber auf dem anderen Auge verstärkt.  Das eine wirke sich (offenbar sehr unvorhersehbar) auf das andere aus. Man könne dieses frühk. Schielsyndrom nie 100% wegoperieren. Weiteres Risiko: Ein Hebungsdefizit der Augen (Tiefenschielen?) Unser Kind solle im Erwachsenenalter selbst entscheiden, ob das Höhenschielen noch operiert werden soll. 

Es ist ein hilfreicher Hinweis für uns, dass du sagst, dass sich die Kopfhaltung normalerweise sofort verringere. Da hören wir auch alle Aussagen von "kann ein Jahr dauern" bis zu "sofort". Bei unserem Kind scheint es keine "Wahrheiten" zu geben, sondern man muss sich mit Probieren herantasten, ob da noch etwas herauszuholen ist für die Kopfneigung u. auch für die Sehkraft (Probleme bei eng aneinandergereihten Optotypen u.schwächeres linkes Auge trotz jahrelanger Okklusionstherapie). Wir wünschten uns nur, dass wir mal zwei gleiche od. zumindest ähnliche Einschätzungen erhalten würden, statt immer nur "Aussage gegen Aussage" u. wir dann gezwungen sind, uns nehr od. weniger "blind" für eine Variante zu entscheiden.

Was sagst du zum Abkleben des rechten Brillenglases mit einer Bangerter-Folie, um es noch etwas zu "stärken" od. nicht noch schwächer werden zu lassen (trotz permanentem Abkleben mit Bangerter-Folie u. Prismenfolie im letzten Jahr ist das linke Auge immer noch 1-2 Reihen schlechter, zumindest bei engen Optotypen). 
Was könnte passieren, wenn wir mit den Prismen herumprobieren u. es folglich hier u. da die "falschen" sind?

1000 Dank im Voraus für jeden Gedankenanstoß!

Bild des Benutzers Eberhard Luckas
Verbunden: 29. September 2002 - 0:00

Moin,

zu den rein medizinischen Dingen will ich nichts weiter sagen, außer dass die Akkomodationsmüdigkeit durch das Innenschielen kommt. Deswegen würde ich auch keine Gleitsichgläser nehmen. Aber Abkleben des besseren Auges für 3-5 Stunden täglich kann das schlechtere Auge im Visus Stärken.

Mit Prismen "rumprobieren" ist definitiv falsch.

Viele Grüße

Eberhard

Bild des Benutzers Frühkindl.Schielsyndrom
Verbunden: 20. Dezember 2019 - 10:53

Hallo Eberhard,

ich bin immer noch total dankbar für deine Informationen. Es hat mich bestärkt, dass du, wie unser Augenarzt die Gleitsicht nicht nehmen würdest. So hatten wir endlich 2 gleiche Meinungen u. konnten guten Gewissens die neue Brille anfertigen lassen :o).

Daher möchte ich dir auch unbedingt von unseren positiven Erfahrungen berichten. Wir kamen durch einen Osteopathen wegen der Kopfneigungszwangshaltung unseres Sohnes überhaupt erst auf die "MKH-Schiene". Er kann tatsächlich aus anatomischer/orthopädischer/osteopathischer Sicht die Auswirkung der Prismenbrille auf die Kopfneigungszwangshaltung/HWS- u. Kopfgelenkblockaden "erfühlen". Das hört sich erst einmal kurios an, aber mich hat er inzwischen davon überzeugt. Er konnte uns auch sagen, dass die erste Prismen-Gleitsicht-Brille keine positive Wirkung hatte. Die Halswirbel- u. Kopfgelenksblockaden sowie weitere Spannungsmuster bauten sich damit immer wieder so auf wie mit der alten Nicht-Prismenbrille.

Nun hatte der von uns im Januar aufgesuchte MKH-Augenarzt u. Optiker ja die neue Prismenbrille mit anderen Prismenwerten gefertigt (ohne Gleitsicht; je 3,25 Prismen gegen das Innenschielen auf beiden Gläsern, je 2 Prismen gegen das Höhenschielen auf beiden Gläsern) u. es geschah für uns das nicht mehr für möglich gehaltene Wunder:

Der Osteopath konnte bei unserem Termin 1 Woche nach Erhalt der Brille keine Spannungsmuster u. so gut wie keine HWS-Blockaden mehr feststellen. Er konnte das selbst kaum glauben. Wir müssen jetzt nur noch aller 6 Wochen zu ihm, um noch eine kleine Restblockade zu beseitigen, die sich vermutlich immer noch aufbaut, weil die Kopfhaltung von Geburt an besteht. Diese ist aber sehr leicht u. schnell zu "deblockieren", nicht wie sonst, wo der Osteopath über eine halbe Stunde lang behandeln musste u. sich alle Blockaden in kürzester Zeit wieder aufgebaut hatten. Das war ja unsere Prognose, dass wir aller 2 Wochen zum Osteopathen müssen u. doch immer nur die Symptome dadurch ein wenig gelindert werden können. Offenbar bleibt uns dies nun erspart u. wir haben die so wichtige Lösung für unseren Sohn gefunden.

Es ist zwar leider nicht so, wie du sagtest, dass die Kopfneigung auch optisch sofort komplett verschwunden ist, jedoch tritt sie in der Häufigkeit zunehmend seltener auf. Wenn ich ihm heute sage, dass er sich gerade hinstellen soll, hat er den Kopf zunächst nach links geneigt. Wenn ich ihm dann sage, dass er schief ist (oder er vermutet es anhand meiner Reaktion), rückt er den Kopf eigenständig nahezu gerade, mit einer noch kleinen Linksneigung. Also scheint es doch irgendwie ein Gefühl für das neue "Gerade" bei ihm zu geben. Früher hat er das nicht gekonnt. Er konnte dann den Kopf übertrieben nach rechts neigen, aber er bekam ihn nicht gerade. Der Osteopath vermutet, dass es bei ihm nicht von heute auf morgen verschwindet, weil es eben von Geburt an bestanden hat. Aber wir sind guter Hoffnung, dass die Kopfneigung irgendwann auch ganz weg sein könnte.

Für uns ist das unfassbar, dass wir per Zufall noch über einen langen Irrweg bei dieser "Behandlungsmethode" gelandet sind. Auch ist es in meinen Augen ein Skandal, dass die Strabologie diese Behandlungsmethode der Kopfzwangshaltung nicht kennt od. nicht anerkennt (was von beiden es tatsächlich ist, frage ich mich immer noch).

Ich danke dir nochmal vielmals für deine Unterstützung, Eberhard! Es ist wunderbar, wie du dich hier in diesem Forum engagierst und den Menschen da hilfst, wo andere aufhören. Da kann ich nur den Hut ziehen.

Viele Grüße,
Christina

Bild des Benutzers Frühkindl.Schielsyndrom
Verbunden: 20. Dezember 2019 - 10:53

P.S.: Eine Frage habe ich noch: Wir kleben aktuell mit deiner Empehlung und dem OK des Augenarztes ca. 4h täglich das etwas stärkere rechte Auge mit einer 0,6er Bangerter-Folie ab. Zusätzlich machen wir 45 min täglich das Sehschulprogramm "Caterna" am Computer, mit Pflasterokklusion des rechten Auges.

Mir ist aufgefallen, dass das rechte Auge unter der Folie oft in die Höhenschielstellung nach oben geht, was sonst sehr selten vorkommt. Auch kneift er das rechte Auge unter der Folie oft zu. Kannst du sagen, woran das liegt u. ob das für die Zeit der Okklusion ok ist? Sobald die Folie ab ist, verschwinden diese Symptome wieder.

Ganz lieben Dank im Voraus für deine wertvollen Tipps.

Bild des Benutzers Eberhard Luckas
Verbunden: 29. September 2002 - 0:00

Moin Christina, erstmal Danke für Dein Lob.

Das Abkleben halte ich für richtig, wenn es nicht länger als  4 Stunden ist. Aber dadurch gehen die Augen in ihre Ruhestellung, und das angeklebte dann eben nach oben. Mit dem Höhenprisma ist es jetzt ein Anfang. Ich glaube, dass genau dieses in Zukunft noch viel stärker gemessen wird.

Warum: Euer Sohn hat noch Schwierigkeiten, den Kopf gerade zu halten.

Viele Grüße

Eberhard

Bild des Benutzers Frühkindl.Schielsyndrom
Verbunden: 20. Dezember 2019 - 10:53

Was lässt dich denn glauben, dass das Höhenprisma größer wird? So wie es jetzt ist, dachten wir, dass die Höhenschiel-OP nicht nötig sein wird. Das würde dann vielleicht doch wieder Thema werden... Diese OP ist laut Augenklinik beim Frühkindlichen Schielsyndrom mit DVD risikoreich...

Bild des Benutzers Eberhard Luckas
Verbunden: 29. September 2002 - 0:00

Moin Christina, 

1. Höhenfehler werden selten erkannt, und wenn, dann am Anfang in geringer Wirkung.

2. Euer Sohn hat immer noch Probleme mit der Kopfhaltung.

Übrigens hatte ich vor meiner Schiel-OP 12 cm/m in der Höhe und ein Aussenschielen von 10cm/m. Und das alles als Augenoptikermeister😏

Viele Grüße

Eberhard