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Bild des Benutzers MatthiasM
Verbunden: 7. Mai 2003 - 0:00
diagnostische Okklusion(Marlow Verband) bei Heterophorikern

Hallo,

einigen aus dem Forum hatte ich schon von meinem letzten Besuch in der Neuroophthalmologie der Uniklinik Düsseldorf erzählt.Obwohl der behandelne Arzt meine Gesundung , die sich seit Tragen der Prismenkorrektion eingestellt hat tendenziell als Placeboeffekt einstuft, schlug die Orthopistin zur weiteren Diagnose das dreitägige Abkleben eines Auges vor. Wenn ich nachdem gehe was hier http//www.augeninfo.de/leit/empfref.htm steht gehört das durchaus zur normalen Vorgehensweise.Doch was passiert da genau ? Wenn ich es richtig mitbekommen habe könnte in Ausnahmefällen als Folge der "Entkoppelung" beider Augen aus meinem latenten Schielen ein manifestes werden.
Gibt es hier einen Fachmann der meinen Wissenslücken auch gerne unter Nennung von Literaturhinweisen auf die Sprünge helfen könnte ?

Gruß,

Matthias

Bild des Benutzers Anna
Verbunden: 21. März 2003 - 0:00

Hallo Matthias,

du schreibst, dass du mit den Prismen beschwerdefrei geworden bist und die Prismenwerte liegen, wenn ich mich recht
erinnere, noch im unteren Bereich.

Daher erstmal die Frage, ob du bereits an eine OP denkst oder was du dir sonst vom Besuch der Uniklinik versprichst?

Die OP an einer Klinik durchführen zu lassen, die deine Beschwerden für eingebildet hält,
fände ich persönlich etwas gewagt.

Wenn es nur darum geht, die Echtheit deiner Beschwerden nachzuweisen da kannst du genauso gut im Selbsttest ein Brillenglas abkleben und beobachten, ob sich was bessert. und selbst dann gilt objektiv nachweisen lassen sich asthenopische Beschwerden wohl kaum.

Wenn es jedoch darum ginge, durch das Abkleben den gesamten Schiel:wink:el offenzulegen, so frage ich mich
wenn das so einfach sein sollte (nur 3 Tage Abkleben statt monatelanger Vollkorrektion, wie sie auch die verschiedensten Unikliniken praktizieren)- warum wird es dann nicht längst überall so gemacht?

Grüße,
Anna

PS Im übrigen frage ich mich immer noch, warum es nicht möglich ist, die Augenmuskeln medikamentös so weit zu entspannen, dass der vollständige Winkel sichtbar wird, ähnlich wie es bei der Zyklopegie gehandhabt wird.

Bild des Benutzers kerstinb
Verbunden: 19. Januar 2004 - 0:00

Hallo Anna,

das diagnostische Abkleben wird schon lange überall in Augen- und Unikliniken durchgeführt. Meistens zur Bestimmung des größten Winkels ggfs. mit anschließendem längeren Prismenausgleich vor der Operation. Vor allem bei schwankenden oder vertikalen phorischen Schiel:wink:eln oder wenn man den Verdacht hat, daß neben einem horizontalen Winkel noch ein vertikaler Winkel oder eine Zyklotropie besteht, führen wir den Marlowverband durch (ich rede hier nur von der Handlungsweise der Klinik, an der ich arbeite). Durch das tagelange Abkleben eines Auges werden die Kompensationsmechanismen unterbrochen, wodurch der größte Winkel zu messen ist. Manchmal wird der diagnostische Verband auch verwendet, um okulär bedingte Kopfschmerzen von anders verursachten Kopfschmerzen abzugrenzen, allerdings muß man dem Patienten vorher sagen, daß danach ggfs. Probleme bei der Kompensation einer möglichen Phorie auftreten können und ggfs. eine OP nötig ist.
Wenn man nur das Brillenglas abklebt, bezweifle ich allerdings, daß der Effekt genauso ist, wie beim Abkleben des Auges, schließlich können die Patienten dann noch über die Brille sehen. Außerdem würde ich wegen der möglichen Beeinträchtigung der Kompensation einen solchen Test nie ohne ärztliche Aufsicht empfehlen.

Viele Grüße

Kerstin

Bild des Benutzers Anna
Verbunden: 21. März 2003 - 0:00

Hallo Kerstin,

Zitatdas diagnostische Abkleben wird schon lange überall in Augen- und Unikliniken durchgeführt. Meistens zur Bestimmung des größten Winkels ggfs. mit anschließendem längeren Prismenausgleich vor der Operation. ...Durch das tagelange Abkleben eines Auges werden die Kompensationsmechanismen unterbrochen, wodurch der größte Winkel zu messen ist.


Das hieße doch, dass man im Prinzip nur lange genug abkleben müsste, und schon stünde der OP-Winkel fest. Warum wird dann trotzdem auf Prismenkorrektionen zurückgegegriffen?
Dies ist auch eine Frage an die MKHler.
Ich würde jedenfalls lieber ein, zwei, drei Wochen mit einem Pflaster herumlaufen als monatelang mit dicker Keilbrille.

ZitatWenn man nur das Brillenglas abklebt, bezweifle ich allerdings, daß der Effekt genauso ist, wie beim Abkleben des Auges, schließlich können die Patienten dann noch über die Brille sehen. Außerdem würde ich wegen der möglichen Beeinträchtigung der Kompensation einen solchen Test nie ohne ärztliche Aufsicht empfehlen.


Auch gut zu wissen. Dann sollte man solche Übungen wie "Papier hinter ein Brillenglas stecken um wenigstens mal ein paar Stunden beschwerdefrei am Bildschirm arbeiten zu können", wohl unterlassen?

Übrigens fände ich es schön, wenn du auch zum Forumstreffen kommen könntest. Je mehr unterschiedliche Ansätze vertreten sind, desto interessanter wird der Austausch.

Viele Grüße,
Anna

Bild des Benutzers Gast
Gast (nicht überprüft)

Interessant ist die Differenzierung in "Augen- und Unikliniken".
Die Marlow-Okklusion läuft unkontrolliert ab Es kommt zum Aufheben der Fusion und damit einer Veränderung des nervalen Ausgleichstonus. Ob dieser dann Null ist oder wie dieser "Okklusionstonus" beschaffen ist, ist bislang nicht geklärt. In diesem Zusammenhang stellt sich sich die Frage nach dem Bell´schen Phänomen und der Schlafruhelage; denn wenn diese bei Marlow eingenommen oder teilweise eingenommen würden, könnten paradoxe Winkelmessungen besonders bei bestehenden Amblyopien und Exophorien/Exotropien auftreten. Daher werden "Augen- und Unikliniken" immer noch vorher Prismentrageversuche machen müssen. (Strabologen, die nach MKH messen und korrigieren werden sich mit Grauen an die Stolperfalle Marlowzeit erinnern und froh sein, dass bereits H.-J. Haase diese ad absurdum geführt hat.) So kommt es zu einer zu hohen Zahl von Fehloperationen, die dann von "Augen- und Unikliniken" revidiert werden müssen.
Daher gibt es auch immer wieder Patienten, die wegen einer zu intensiven Marlow-Okklusion operiert werden müssen. Diese Gefahr gibt es - wie auch Kommerell mehrfach deutlich geschreiben hat - überhaupt nicht.
Also, wenn etwas überall und lange durchgeführt wird, muss es deshalb nicht auch fachlich sinnvoll sein.
Ja und wegen des Einwandes gegen das Abkleben nur des Brillenglases frage ich mich, wie den dann die Brillenglaseinschleich- oder vollokklusion von Kindern vertreten werden kann??? Die haben noch viel mehr Möglichkeiten über die Brille zu schauen. Unlogisch???
Viele Grüße und schon mal Entschuldigung für meine Einwände, kerstinb.
Gernot

Bild des Benutzers Anna
Verbunden: 21. März 2003 - 0:00

Hallo (aber nicht nur) Gernot,

So sehr ich es schätze, dass hier Fachleute in ihrer Freizeit Rede und Antwort stehen, so sehr bringt es mich zur Verzweiflung, wenn die Antworten immer wieder mehr Fragen aufwerfen als nötig wäre.

Ich denke an Sätze wie diese

ZitatOriginal erstellt von gernot
[...]Daher gibt es auch immer wieder Patienten, die wegen einer zu intensiven Marlow-Okklusion operiert werden müssen. Diese Gefahr gibt es - wie auch Kommerell mehrfach deutlich geschreiben hat - überhaupt nicht.


Da frage ich mich dann was denn nun?
Ist Marlow jetzt gefährlich oder nicht? Oder ist mit "dieser Gefahr" nicht Marlow gemeint, sondern etwas ganz anderes (aber was?)? Oder ist nur der Herr Kommerell der Ansicht, dass es diese Gefahr nicht gebe?

Wäre es nicht möglich, solche Aussagen eindeutiger zu formulieren Wer genau sagt was genau wann wieso weshalb warum?
Sich vor dem Schreiben in die Perspektive der Lesenden zu versetzen, die überwiegend keine Fachleute sind?
Also lieber einen Beitrag weniger zu schreiben, als auf die Schnelle etwas abzuschicken, das mehr Verwirrung stiftet als es diese beseitigt?

Wohlgemerkt, diesen Beitrag picke ich mir nur deshalb heraus, weil er ein Beispiel für viele andere ist. Es geht mir nicht darum, alle Erbsen im Forum zu zählen, sondern die ohnehin schon schwierige Verständigung zu befördern.

Gruß,
Anna*
durchaus auch die eigene Nase anfassend

PS Noch etwas verstehe ich nicht
Wieso soll sich jemand dafür entschuldigen müssen, eine andere Meinung zu vertreten?

Bild des Benutzers Gast
Gast (nicht überprüft)

Pardon,
der zitierte Satz ist leider wirklich unvollständig und daher Blödsinn. Hier richtig und so, dass er verständlich ist
...Daher gibt es auch immer wieder Patienten, die wegen einer zu intensiven Marlow-Okklusion operiert werden müssen. Diese Gefahr gibt es - wie auch Prof. Dr. G. Kommerell (Ausbilder der deutschen Orthoptistinnen) mehrfach deutlich geschreiben hat - bei der Prismenkorrektion nach MKH überhaupt nicht...
Meine Entschuldigung galt kerstinb, die meine Art zu diskutieren, manchmal etwas zu persönlich zu nehmen scheint.


Bild des Benutzers Paul-Gerhard Mosch
Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Marlow-Verband

Allgemein geht man von der Annahme aus, das die beiden Augen, als Augenpaar zusammen arbeiten. Dieser Annahme folgt, dass man Störungsursachen im Zusammenspiel dadurch aufdecken kann, indem man die Zusammenarbeit vorübergehend blockiert. Beim kurzzeitigen Cover-(Zudeck-) und beim Uncover-(Aufdeck-) Test ergeben sich aber oft schon unterschiedliche Einstellwerte in der Fixationsausrichtung der Augen. Beim längeren bis mehrtägigen Tragen eines Marlow-Verbandes auf dem im Sehen nichtführenden Auge hofft man indes, durch die Ausschaltung der „angenommenen“ Kopplung beider Augen bessere Resultate zu erhalten. In der Praxis zeigen sich teilweise verhehrende Folgen bis hin zu permanenten Doppelbildern. Diese Maßnahmen sollten deshalb nur unter ärztlicher Betreuung stattfinden, wie auch „Kerstinb“ schreibt.

In der MKH geht man stattdessen von der Theorie aus, das zwischen den Augen selbst „keine“ Zusammenarbeit besteht bzw. bestehen kann. Diese Annahme wiederum setzt hinter alle oben stehenden Versuche, wenn sie nicht ein spezielles definiertes Teilziel verfolgen, ein dickes Fragezeichen. Besonders gravierend kritisch wird jede längerfristige Aufhebung des beidäugigen Sehvorganges betrachtet. Eine Methode diesbezüglich, stellt hier der Marlow-Verband dar.

Als Veranschaulichung mag als Beispiel ein gestörtes Eheverhältnis dienen. Während die Trennung in einer funktionierenden Ehe problemlos verkraftet wird, stellt dies eine enorme Belastung mit unkontrollierbarem Ergebnis in einem schon gestörtem Eheverhältnis dar. Der Grund liegt darin, das eine Ehe sehr wohl in Zusammenarbeit harmonisiert, aber eben zwei völlig eigenständige Organissmen miteinander funktionieren.

Das rechte und das linke Auge, als Organ getrennt, wie Mann und Frau. Die funktionelle Einheit wird erst übergeordnet durch den Willen zur Partnerschaft gebildet und in Funktion umgesetzt. Ich sprach im Forum beim beidäugigen Sehen oft von der Software (als einer Gehirnleistung), die funktionelles beidäugiges Sehen erst strukturiert und verfügbar macht. Statt der Aufhebung des beidäugigen Sehens, das ja wesentlich in den Sehzentren selbst stattfindet (und nicht einfach im Augenpaar), gilt es deshalb nach Haase, die beiden Bildlageorte, als wesentlichen Nachweis von beidäugiger Funktion, so zur Deckung zu bringen (prismatische Vollkorrektion) dass beidäugig gestörte Funktionen stabiler ablaufen lernen. Erst der damit verbundene Lernerfolg führt letztendlich zu stabilem einrasten der Bildinformationen und der funktionellen Aufarbeitung. Steuerungsfehler, der sensomotorischen Ausgleichsmechanissmen von Muskel- und Nerveninervationen können sich so im System adaptieren und werden dazu gebracht langzeitstabile Korrektionswerte zu bilden. Dies weist dann erst den echten ursprünglichen Fehlwert in der Funktion nach.

In dem Zusammenhang sind alle die Fusion aufhebenden Verfahren tödlich! Dies gilt für den Bereich der Messung, der Therapie und der Korrektion (falsche Brillenwerte).

Viele Grüsse

Paul-Gerhard Mosch (PGM)

Bild des Benutzers kerstinb
Verbunden: 19. Januar 2004 - 0:00

Hallo Anna, Gernot und Herr Mosch,

das Abkleben der Brillengläser bei Kindern mit Amblyopien ist nach meiner Ansicht vor allem bei kleineren Kindern oder bei stark ausgeprägten Amblyopien ebenfalls nicht für effektiv, da viele über die Brille schauen, es ist also für mich absolut nicht unlogisch. Nach meiner Erfahrung wird die Brillenglasokklusion auch nur sehr selten und meistens nur bei massiver Neurodermitis, Pflasterallergien usw. oder älteren Kindern verordnet.

Ein Marlowverband zur Bestimmung des Schiel:wink:els ist in meinen Augen sinnvoll, wenn man den größten Winkel bestimmen und operieren will.Wenn aber ein Prismenausgleich wegen einer bestehenden Zyklotropie oder sehr schwankenden Winkeln nicht zufriedenstellend möglich ist, ist der Marlowverband meiner Ansicht nach die bessere Methode.

Durch den Marlowverband werden die Mechanismen der Schiel:wink:elkompensation unterbrochen. Danach sind manchmal Patienten nicht mehr in der Lage, den Schiel:wink:el zu kompensieren und sehen dadurch entsprechend störend doppelt. Nach einer Strabismusoperation bei vorangegangenem Marlowverband hatten übrigens bis jetzt alle Patienten, die ich bis jetzt gesehen habe, nach einigen Wochen oft sogar qualitativ höherwertiges Stereosehen als präoperativ. Das widerspricht in meinen Augen Herrn Moschs Argument, das ein Marlowverband das beidäugige Sehen dauerhaft schädigen kann. Meiner Ansicht und Erfahrung nach, ist das Stereosehen, wenn es einmal ausgebildet wurde, erstaunlich robust. Ich hab neben Patienten nach Marlowverband schon oft Patienten gesehen, die auch nach Fotoanamnese ca. 10 Jahre dauerhaft manifest geschielt haben, also sehr lange ein Auge exkludiert und den Schiel:wink:el jahrelang nicht kompensiert haben und somit keine Fusion geschweige denn Stereosehen hatten. Trotz dieser langen Unterbrechung des beidäugigen Sehens wurde das Stereosehen nicht "verlernt". Nach der Schieloperation des großen Schiel:wink:els (meistens nach einigen Wochen) hatten diese Patienten nachweislich Stereosehen. Daher ist nach Beseitigung des Störfaktors für Fusion und Stereosehen, der großen Schielabweichung,das Stereosehen und die Fusion wieder nachweisbar. Eine einmal erworbene Fähigkeit kann meines Wissens nicht verlorengehen, solange die Nervenzellen, also beim Stereosehen das Zentrum für die Sensorik des visuellen Systems nicht beeinträchtigt ist. Bei einem Marlowverband oder einem lange manifesten Schielen stimmt die Augenstellung nicht, dadurch entstehen eben die Exklusion oder Doppelbilder, die Fähigkeit zum Stereosehen ist aber noch da und kommt dann wieder zum Tragen, wenn die Augenstellung wieder paßt. Das kann man in meinen Augen mit einer falschen oder fehlenden Brille bei z.B. einer Myopie vergleichen. Hat ein erwachsener Myoper von z.B. 4dpt. auch länger keine Brille, sieht er in der Ferne nur ca. 5 - 10%, obwohl keine Beeinträchtigung der Augen bzgl. des Sehnervens, der Hornhaut, Netzhaut, des Sehzentrums usw. bestehen. Dennoch geht einem Erwachsenen mit normaler Sehentwicklung die Fähigkeit zur 100%igen Sehschärfe nicht verloren. Wenn die Myopie, also das etwas zu lang geratene Auge, mit einer Brille oder Kontaktlinse auskorrigiert wird, hat derjenige wieder einen vollen Fernvisus, die Voraussetzung, 100%ig zu sehen stimmt also mit Korrektur wieder.

Ich verstehe im übrigen Gernots Satz

"Interessant ist die Differenzierung in "Augen- und Unikliniken".

nicht. Es gibt Unikliniken und es gibt städtische Augenkliniken, der Unterschied ist hier die Bezeichnung, die Behandlungsmethoden sind an den meisten Uni- und Augenkliniken sicherlich ähnlich.

Viele Grüße

Kerstin

Bild des Benutzers Paul-Gerhard Mosch
Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Hallo Kerstinb,

ich freue mich wieder so angagiert von Dir zu hören!

Mein letzter Satz kann absolut missverstanden werden, wenn er so interpretiert würde, dass die erworbene Sehleistung verloren gehen kann. Dies tritt zum Glück wohl nur äußerst selten oder nie ein. Gerade davon zehren wir in unserer tagtäglichen Arbeit wohl alle gemeinsam.

Gemeint war allein der Bezug dieser Massnahmen in der Kombination mit der Anwendung der Mess- und Korrektionsmethodik nach Hans Joachim Haase. Diese wird ja leider von Ihnen noch nicht genutzt.

Wird bildlageorientiert unter der Nutzung von Fusionsreizen gemessen und korrigiert, erhält man wesentlich häufiger stärker verfestigte Hemmungs- und Exclusionsarreale bei derart vorbehandelten Klienten(-Kinder). Dies erschwert den Einsatz der MKH-Messtechnik eindeutig und macht ihn manchmal aussichtslos (So u.a. bei einem sehr fest antrainiertem alternierenden Sehen mit einerseits hohem Einzelvisus auf jedem Auge, aber leider auch hohem Beschwerdebild unter visuell hochwertigeren Sehaufgaben, z.B. bei Bildschirmarbeit).

Ihre eigene Warnung in Bezug auf den Marlow-Verband zeigt ebenso, wie Hinweise in der gängigen medizinischen Literatur, das in seltenen Fällen Doppelbilder und andere massive Störungen erst durch solche Methoden indiziert werden können. Erkannt wird dann ein deutlich aufgebautes Hemmungs- oder Exclusionspotential, was bekannterweise nur partiell wirkt. Darüber dürften wir uns einig sein. Ursache für solcherlei Folgen dürften die durch die Okklusion bewirkten großen Koordinationsprobleme im gesamten beidäugigen Gesichtsfeld des Sehens sein. Vergleichbare Vorgänge und Erscheinungen kennt man in der Korrektion nach MKH nicht (siehe hierzu selbst Kommerell), ja, hier bemüht man sich gerade um einen Abbau von solcherart Störungen!

Versuch einer kurzen Erklärung von Fremdworten, durchaus mit dem Ziel, deren enge Verknüpfung aufzeigen zu wollen

- Fusion Erste Stufe des Zusammensehens. Verschmelzung beider Seheindrücke zu einem Bild
- Exclusion kurzzeitige (selten totale) Abschaltung des Seheindruckes (i.d.R. nur zentral) eines Auges
- alternierend im Wechsel (Abschaltung mal rechts mal links)
- Hemmung teilweise Abschaltung
- Doppelbild Aus- oder Abschaltung der Fusion ergibt dann Doppelbilder, wenn keine Exclusion oder Hemmung zuhilfe kommt
- Suppression abgeschwächte schwankende Bilddarlegung (in diesem Zusammenhang auch zu beobachten, aber im Text nicht angesprochen)

Nachtrag
- Stereosehen Dies stellt eigentlich eine höhere Stufe des Binokularsehens dar. Aber, es kann in Teilbereichen schon unter deutlich gestörten Sehverhältnissen eine gewisse Ausprägung haben. So gibt es Schielformen, die ein durchaus funktionierendes Stereosehen vorweisen können.

In der MKH nutzen wir deshalb über das reine Stereosehen hinaus, die Angaben über eine Stereoverzögerung nach vorn und hinten zur weiteren Korrektion (wird ein Nachrutscheffekt wahrgenommen, und / oder wird die Darbietung gleichschnell vorn bzw. hinten erkannt). Darüber hinaus stellen wir die Frage Erfährt die stereoskopische Darbietung eine Prävalenz (d.h. Wird der Bildeindruck eines Auges stärker, d.h. "prevalierend" verarbeitet).

Hier zeigen sich oft trotz Stereosehen noch wesentliche Ungereimtheiten im beidäugigen Sehvorgang, die wesentlichen Einfluß auf das Messergebnis haben können.

Viele Grüsse

Paul-Gerhard Mosch (PGM)

Bild des Benutzers Ralf
Verbunden: 28. September 2002 - 0:00

Hallo,

was könnte nach Auffassung eines MKHlers alles passieren bei einer dekompensierten Exophorie nach fast zweijährigem Prismenaufbau per Polatestergebnisse mit Werten von anfangs 5 und jetzt 16 cm/m, wenn okkludiert wird für mehr als einen Tag?

------------------
Grüße

Ralf

PS Bitte Fakten, keine schönen Bilder aus dem Eheleben

PPS gesetzt den Fall, ich verletze mir ein Auge und es muss für einige Tage oder gar Wochen verbunden werden...ich bitte um konkrete Beispiele, wo jemand nach Okklusion eines Auges die "Scheidung" eingereicht hat.

Bild des Benutzers Eberhard Luckas
Verbunden: 29. September 2002 - 0:00

Hallo, Ralf

das wenigste, was passiert, ist daß sich die volle Ruhestellung einstellt. Dann könnten nach entfernen der Occlusion kurzzeitig Doppelbilder entstehen. Wenn dann sofort eine Messung gemacht würde (was nicht ratsam ist) käme sicher ein höherer Wert heraus. Ob der dann verträglich ist, wage ich zu bezweifeln.
Also, wenn Du ein Auge für 1 Tag oder mehr stilllegen mußt, bleibe danach bei der jetzigen Brille und alles ist in kurzer Zeit wieder in Ordnung.
Gruß
Eberhard

Viele Grüße

Eberhard

Bild des Benutzers Anna
Verbunden: 21. März 2003 - 0:00

Hallo allerseits,

mir kommt gerade ein Gedanke, den ich gleich mal in den Faden werfen möchte

wie schon einmal berichtet, wurden bei mir im Sommer 15cm/m nach MKH gemessen. Daraufhin habe ich zwei Wochen lang eine Folie mit 15Prismen getragen. Diese war jedoch die ganze Zeit über stark unverträglich und es zeichnete sich keine Besserung ab, obwohl auch nach den zwei Wochen mit 15er Folie am Kreuztest Nullstellung erreicht war.

Ich rätsele immer noch, warum dies so war.
Meine bisherigen Erklärungen
-der Prüfraum des Optikers war zu dunkel (kein Tageslicht, kein helles künstliches Licht), so dass falsche Werte herauskamen
-ich war am Tag der Messung extrem unausgeschlafen, so dass der gemessene Winkel evt. größer war als normalerweise.

Beim Lesen der Okklusionsgeschichten fiel mir aber ein, dass ich in der Zeit vor der oben erwähnten MKH häufig ohne Brille gelesen habe. Da ich einen Unterschied von über 2dpt der beiden Augen habe und das schlechtere ohne Brille abschaltet, müsste dies ähnliche Wirkungen mit sich bringen wie eine Okklusion.

Die Frage ist, ob sich durch diese Quasi-Teilokklusion die Messergebnisse verfälscht haben könnten?

Soviel zum Rätsel der Woche und wie immer
viele Grüße,
Anna

Bild des Benutzers Ralf
Verbunden: 28. September 2002 - 0:00

Hallo nochmal,

mir scheint, wir, uns als mündige Patienten und Kunden sehende, muten allmählich unseren Adressaten Unmögliches zu. Manche Rätsel bleiben leider ungelöst, wobei es meist nicht am bösen Willen der Fachleute liegt.

Dies musste ich einfach mal kundtun, sich gut daran erinnernd, dass mir Erich mal Bastelzwang vorwarf, obwohl ich nicht gerne bastele, jedoch in der Vergangenheit einmal, aber einmal zuviel, vom rechten MKH-Wege abwich.

Ralf - noch bis Freitag ein Auge abklebend unter klinischer Aufsicht.

Nachtrag wieder alles relativierend, neu aufwühlend war es nicht gerade Erichs Mutmaßung, die in meinem Fall den Knoten öffnete - kann also nicht weiter spekuliert werden, um manchem Rätsel auf die Spur zu kommen? - ich weiß, dies alles ist unsachlich, aber wenn es doch wieder der Sache dient?!

Bild des Benutzers Jasmin
Verbunden: 4. Oktober 2002 - 0:00

Hallo,

ich habe auch noch zwei Fragen zu diesem Thema
Erstens, habe ich das tatsächlich richtig verstanden,daß nur, weil man einmalig drei Tage lang ein Auge zuklebt, sich die Schielsymptome dauerhaft verändern können, oder ist das nur bei längeren Abklebetherapien der Fall? Bei mir ist nach
drei Tagen Abkleben nichts dauerhaftes passiert, außer einige Stunden Doppelbildern nach dem Aufdecken. Allerdings war nach dem Aufdecken nicht der maximale Schiel:wink:el zu messen, sondern der hat sich schon nach kurzer Zeit mit Prisma weiter vergrößert.
Die zweite Frage hat Anna schon angesprochen ich hatte auch jahrelang spürbar einäugiges Sehen wegen -1dpt. Unterschied zwischen den Augen und fehlender Korrektur. Dadurch hatte ich auch nie Doppelbilder, die fallen mir erst jetzt auf mit der Korrektur (-2.50 und -3.50) seit einigen Jahren. Ist das jetzt die Ursache für das latente Schielen und ist das vielleicht reversibel, d.h. das sich nach längerer Zeit mit Korrektur die Symptome verbessern könnten (läßt bisher auf sich warten) und kann sich das zeitweilige Weglassen der Brille dann
ähnlich schädlich auswirken wie das Abkleben?
Ich hoffe, das waren nicht zuviele Fragen für das ohnehin schon längliche Thema, trotzdem freue ich mich über Antworten!

Bild des Benutzers Anna
Verbunden: 21. März 2003 - 0:00

Hallo,

zwei Nachträge

@Ralf Soviel ich auch frage, natürlich bleibt es allen ExpertInnen freigestellt zu antworten und ich erwarte angesichts der immensen Forschungslücken gewiss keine fertigen Lösungen.
Aber ohne das menschliche Bedürfnis zu rätseln und Rätsel lösen zu wollen gäbe es heute weder MKH noch Schiel-OPs.
Der Rest deines Beitrags ist mir leider noch ein Rätsel...

ZitatOriginal erstellt von Jasmin
ich hatte auch jahrelang spürbar einäugiges Sehen wegen -1dpt. Unterschied zwischen den Augen und fehlender Korrektur. Dadurch hatte ich auch nie Doppelbilder, die fallen mir erst jetzt auf mit der Korrektur (-2.50 und -3.50) seit einigen Jahren. Ist das jetzt die Ursache für das latente Schielen und ist das vielleicht reversibel, d.h. das sich nach längerer Zeit mit Korrektur die Symptome verbessern könnten (läßt bisher auf sich warten)?


Ich bin früher ohne Prismen praktisch keine Minute ohne Korrektur herumgelaufen, aber geholfen hat es nichts.
Trotzdem finde ich am Rande auch interessant, was Henne und was Ei ist erst der hohe Brechkraftunterschied, der ein latentes Schielen auslöst, oder kommt der Unterschied vom Schielen? Immerhin hätte ich als Kind schon 3 Jahre eher eine Brille gebrauchen können, als ich es tatsächlich zugeben mochte.

Gruß,
Anna
Antworten dankbar lesend, aber nicht erzwingen wollend

Bild des Benutzers Ralf
Verbunden: 28. September 2002 - 0:00

ZitatOriginal erstellt von Anna*
zwei Nachträge

@Ralf Soviel ich auch frage, natürlich bleibt es allen ExpertInnen freigestellt zu antworten und ich erwarte angesichts der immensen Forschungslücken gewiss keine fertigen Lösungen.
Aber ohne das menschliche Bedürfnis zu rätseln und Rätsel lösen zu wollen gäbe es
heute weder MKHs noch Schiel-OPs.
Der Rest deines Beitrags ist mir leider noch ein Rätsel...


Hallo Anna*,

mit meinem Einwurf wollte ich keinesfalls die versammelte Kompetenz abhalten, uns zu antworten. Lediglich kam mir in den Sinn, dass manche Fragen oder auch Rätsel, wie du sie nennst, unbeantwortbar bleiben. Nicht weil es hier an Fachwissen mangelt, sondern weil wir ggf. zuviel erwarten, zuviel wollen.

Warum ich allerdings ausgrechnet hier drauf kam, ist mir selber ein -kleines- Rätsel

Die einen um Nachsicht und die anderen um Beiträge bittend

Ralf
Bild des Benutzers Paul-Gerhard Mosch
Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Hallo, allseits

melde mich jetzt nur kurz zurück. Bei mir gab es eine Internet-Zwangspause, wegen einem Anschlussfehler.

Leider bin ich auch in den nächsten Tagen noch nicht in der Lage zu antworten, obwohl es mich nach dem jetzigen Lesen reizt, sofort los zu legen. Aber gut Ding will Weile haben und zur Zeit gehen bei mir einige andere Dinge noch vor. (vier Geburtstage in den nächsten Tagen. Kunden geben uns zur Zt. sehr viel zu tun, worüber ich natürlich froh bin, aber man kann sich nicht teilen.)

Also, jetzt nur soviel, es gibt auch wieder Antworten, zumindest vom AO! Heute noch über ISDN, da das DSL immer noch nicht klappt.

Viele Grüsse

Paul-Gerhard Mosch (PGM)

Bild des Benutzers Ralf
Verbunden: 28. September 2002 - 0:00

Hallo Paul-Gerhard,

schön, von dir zu lesen .

Geduld ist da, also bis bald und nicht zuviel Stress,

viele Grüße

Ralf

Bild des Benutzers Paul-Gerhard Mosch
Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Hallo, Ralf

Du hast die erste Frage gestellt.

Was passiert, wenn ein Auge über eine bestimmte Zeitlang occludiert werden muss?

Es gibt etliche Möglichkeiten, wie sie auch schon angesprochen wurden. Dies liegt daran, dass der bisherige Zustand der Binokularität im Sehen sehr unterschiedlich eingefahren sein kann. Besonders problematisch sind Fälle, in denen ein Auge beim Sehen excludiert (abschaltet). Dies "Abschalten" kann es über der Vollocclusion verlernen, mit der Folge von Doppelbildern. Werden diese anschließend nicht korrekt versorgt, kann ein "Horror fusionalis" eintreten, sprich beständige Doppelbilder. In Deinem Fall setzt Du Deine Prismenbrille wieder auf und Dein Gehirn reflektiert bekannte Verschaltungswege. Das geschieht mehr oder weniger schnell, aber wohl ziemlich sicher.

Das Prozedere des Abklebens wird in der Medizin genutzt um möglichst schnell nach dem Aufdecken einen "verläßlichen" Schiel:wink:el bestimmen zu können. Da dies unter Ausschluss von Fusion (abdecken) erreicht wird, fehlt dieser Grundfaktor.

Es ist ein Streitpunkt unter den Gegnern und Befürwortern der MKH, wie sinnvoll bzw. unsinnig ein solches Verfahren ist, wenn vom Klienten schon "Fusion" eingesetzt wird. (Nur dann kann nach MKH gemessen werden, dann aber will der MKH-ler die Fusionskräfte auch bewust einbinden und nicht ausschalten)

Anders bei Schielern, die nicht zur Fusion gebracht werden können. Hier ist es die Entscheidung des Strabologen (Facharzt für Schielen) durch alle möglichen Maßnahmen weitere Einsichten und möglichst gute OP-vorbereitende Messwerte (unter dem Ausschluß von Fusion, die ja nicht erreichbar war) zu erhalten. Dabei ist er sich der angesprochenen Problematik sicher bewust. In vielen Fällen kann die in Aussicht gestellte OP die Doppelbilder wieder beseitigen oder zumindest wesentlich verringern.


Viele Grüsse

Paul-Gerhard Mosch (PGM)

Bild des Benutzers Paul-Gerhard Mosch
Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Hallo, Anna und Jasmin,

bei einer refraktiven Ungleichsichtigkeit R/L passieren mehrere Dinge gleichzeitig. Einerseits sind die Bildgrößenverhältnisse rechts zu links oftmals verschieden. Dies bedingt grundsätzlich erschwerte Fusion. Zweitens sind die Augäpfel oft verschieden groß oder lang geformt, was auch die Mustkelkräfte, Muskelansatzorte und Wegstrecken der Augenmustkel tangieren wird. All dies belastet das Kräftegleichgeweicht im Zusammenspiel der Funktionen zusätzlich. Das darüber hinaus auch unkorrigierte Zustände die Sache weiter verkomplizieren ist gar keine Frage. Vielfach liegt in solchen Fällen der Stresslevel allerdings höher, so dass mit kleinen Hilfen schon gute Erfolge verbunden werden können. Ideale Zielvorstellungen scheiden hier bei größeren Sehungleichgewichten zwar aus, aber auch z.B. unter Einbindung der Kontaktlinse zur refraktiven Korrektion lassen sich oftmals sehr gut verträgliche Maßnahmen erreichen.

Dies Gebiet ist aber immer deutlich komplexer in der Beurteilung und deshalb nicht allein auf den Nebelungsfaktor "ohne Brille = Teilocckusion" zu reduzieren.

Viele Grüsse

Paul-Gerhard Mosch (PGM)

Bild des Benutzers Anna
Verbunden: 21. März 2003 - 0:00

Hallo Paul-Gerhard,

kaum bist du wieder online, wirst du natürlich wieder mit Fragen eingedeckt

Zitatbei einer refraktiven Ungleichsichtigkeit R/L ...sind die Augäpfel oft verschieden groß oder lang geformt, was auch die Mustkelkräfte, Muskelansatzorte und Wegstrecken der Augenmustkel tangieren wird.


Dass das Beschwerden verursachen soll, leuchtet mir nicht so ganz ein, denn dieser Unterschied bestand ja immer schon, so dass die Muskelbewegung sich doch längst daran angepasst haben müssten - ?

Angeblich kann das Gehirn sich ja auch an die unterschiedliche Verkleinerungswirkung der Brillengläser gewöhnen. Jedenfalls meinte eine AA einmal, der Brechkraftunterschied würde sich nicht störend auswirken, wenn man schon als Kind eine Brille getragen hat und das Gehirn sich somit rechtzeitig daran gewöhnen konnte.
Allerdings wollte sie nicht zur Kenntnis nehmen, dass ich als Kind nur zwei Jahre lang Brille getragen habe, danach immer KL (ca. 10-14h täglich, den Rest der Zeit Brille). Kann es also sein, dass die Gewöhnung an die Brille dadurch nicht ausreichte?

Auf der anderen Seite frage ich mich, ob die Verkleinerungswirkung wirklich noch so groß ist, wenn Prismen in den Gläsern sind, die doch eher vergrößernd wirken. Müsste man da nicht nur die Prismen leicht ungleich aufteilen, um die ungleiche Verkleinerung zu kompensieren?

ZitatAll dies belastet das Kräftegleichgeweicht im Zusammenspiel der Funktionen zusätzlich. Das darüber hinaus auch unkorrigierte Zustände die Sache weiter verkomplizieren ist gar keine Frage. Vielfach liegt in solchen Fällen der Stresslevel allerdings höher, so dass mit kleinen Hilfen schon gute Erfolge verbunden werden können. Ideale Zielvorstellungen scheiden hier bei größeren Sehungleichgewichten zwar aus, aber auch z.B. unter Einbindung der Kontaktlinse zur refraktiven Korrektion lassen sich oftmals sehr gut verträgliche Maßnahmen erreichen.


Dann bräuchte man ja zwei Prismenbrillen eine mit Sphären für die Zeiten der KL-Pausen und eine ohne, und dazu noch KL - das ist leider unbezahlbar.

Trotzdem bestätigen mich deine Aussagen in meinem Verdacht, dass eine Anisometropie (was für ein schönes Wort) sich negativ auswirkt. Immerhin riet mir auch mein Optiker, bei den nächsten Gläsern meine Hornhautverkrümmung von -0,5 auf einer Seite unbedingt mit zu korrigieren.
Warum nicht gleich so - bisher haben mir nämlich sowohl AAs als auch OptikerInnen (darunter 2 MKH-Kundige!) immer erzählt, es sei nicht nötig, den Asti zu korrigieren, weil er subjektiv kaum wahrnehmbar ist.

Anscheinend kann man seine AAs und OptikerInnen doch nicht oft genug wechseln.

Viele Grüße von
Anna


PS Kann man eigentlich sagen, was Henne und was Ei ist? War erst das Ungleichgewicht da und hat die Wfs ausgelöst oder umgekehrt?
Bild des Benutzers Paul-Gerhard Mosch
Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Hallo, Anna

Du hast recht, wenn Du schreibst, das die Situation sich angepasst (adaptiert) hat. Sonst wäre ein solches System nicht nutzbar.

Jedoch müssen wir zwischen einer statischen Situation, und der dynamischen Situation im täglichen Leben unterscheiden. Und hier bleiben permanent Defizite übrig, die das Gehirn wegrechnen (kompensieren) muss. Je tiefer man sich mit der Materie befasst, desto verwunderter wird man, das Sehen, auch Binokularsehen, dennoch funktioniert, das ist schon ein Wunder! Kein Werk menschlicher Erfindung hat eine solche Adaptationsfähigkeit.

Das da dennoch Stress entsteht, ist eigentlich nur zu verständlich. Jede Brillenlinse hat an einer definierten Stelle eine bestimmte Art der Ablenkung. Diese ist von der Linsenstärke, der Entfernung zu dem Durchstoßungspunkt der optischen Achse, sowie von der Lage (oben/unten/rechts/links) zur optischen Achse abhängig.

Schaut man bei Anisometropie (Ungleichsichtigkeit) durch ein Brillenglaspaar, ist die prismatisch resultierende Komponete an jedem Ort unterschiedlich groß. Ein Kollege hat es so auf den Punkt gebracht Wenn in der zentralen Ausrichtung nicht prismatisch gemessen und korrigiert wurde, bleibt dieser Wert völlig undefiniert. Die sich darüber hinaus bei Blickbewegungen ergebenden prismatischen Differenzen, addieren bzw. subtrahieren sich völlig undefiniert zum Grunddefizit. Bei einer prismatischen Korrektion nach MKH sollte dies zumindest im zentralen Sehbereich günstiger abgestimmt sein. Gerade hier liegt ein wichtiger Vorteil der prismatischen Korrektion.

Das bei Anisometropien auch eher mit Störungen durch Winkelfehlsichtigkeit gerechnet werden muss, liegt nahe. Selbst wenn sie hier nicht statistisch häufiger auftreten sollte (was ich allerdings vermute), würde sie jedenfalls i.d.R. (s. auch oben) den Betreffenden deutlich mehr stören.

Hierin erkennst Du auch einen Vorteil der Kontaktlinsen, die bei Blickbewegungen mitwandernd, keine solchen falschen Zusatzkomponenten erzeugen. Da hier außerdem die Bildgröße nicht beeinflusst wird (Korrektion direkt am Auge), bleibt eine KL-Korrektion schon in sich stressfreier. Ideal wäre hier die WF Korrektion zusätzlich über Brille. Übrigens, ist die Bildgrößenänderung über Prismen ein binokularer und kein monokularer Effekt und deshalb eher eine Änderung der Wahrnehmung (als Täuschung) und keine echte Vergrößerung bzw. Verkleinerung.

Übrigens wird auch der zylindrische Wert an jedem Ort der Brillenlinse unterschiedlich sein. Besonders bei prismatischen Korrektionswerten. Es ist deshalb (genauso, wie bei Gleitsichtgläsern) grundfalsch, diese Werte zu ignorieren. Unter der Kenntnis dieser Bezüge kann es aber auch einmal sinnvoll sein, eine Korrektion an verschiedenen Glasbezugsorten im Abstand des Augenpaares zu vermessen und sich die Wirkungen ausgedruckt einmal näher anzuschauen. Die hierbei resultierenden Messwerte werden selbst manche Kollegen verwundern!

Viele Grüsse

Paul-Gerhard Mosch (PGM)

Bild des Benutzers Anna
Verbunden: 21. März 2003 - 0:00

Hallo Paul-Gerhard,

herzlichen Dank für die ausführliche Antwort.

Sie bestätigt meine eigenen Seheindrücke insofern, als ich das beste, nämlich absolut beschwerdefreie Sehen bei der Kombination KL + Prismenbrille hatte, und das, obwohl es sich um eine Teilkorrektion (3 von ca. 6 nach MKH gemessenen) handelte. (Der Effekt hielt leider nicht lange, da die Prismenwerte anstiegen.)

Was du schreibst, klingt allerdings so, als ob es bei Anisometropie völlig unmöglich sei, beschwerdefrei durch eine Brille gucken zu können. Das scheint ja auch der Grund zu sein, warum die sonst so knauserigen Krankenkassen ab einem Dioptrienunterschied von 2dpt bisher KL bezuschusst haben.
Kann man also nicht auf Gewöhnungseffekte an die Brille hoffen?

Noch eine andere Frage wenn Anisometropie und Wfs sich wechselseitig beeinflussen, ist es dann auch denkbar, dass eine Anisometropie bei der MKH höhere Abweichungen vortäuscht, als eigentlich vorhanden sind? Das wäre doch so schön, dass es wahr sein sollte...

Viele Grüße
Anna


Bild des Benutzers Eberhard Luckas
Verbunden: 29. September 2002 - 0:00

Hallo, Anna

die Gewöhnung an eine Anisometropie ist meistens möglich, was nicht bedeutet, daß überhaupt keine Nebenwirkung da ist, sondern, daß sich viele Leute voll und ganz daran gewöhnen.(oder das glauben),
Eine wechselseitige Beeinflussung bei der MKH sehe ich nicht, da wir die zentrale Sehschärfe messen, bei der Messung geradeaus schauen lassen, und relativ kleine Messglasdurchmesser haben.(Vorausgesetzt, die Messbrille ist richtig zentriert.)

Gruß
Eberhard

Viele Grüße

Eberhard

Bild des Benutzers Paul-Gerhard Mosch
Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Hinzu kommt, das Personen mit einer Anisometropie i.a.R. wesentlich toleranzbereiter sind (vielleicht auch sein müssen) und deshalb eine Korrektion oft (grau ist alle Theorie!) sehr positiv aufnehmen und tragen. Das auch mal zu hohe Werte gemessen werden können, ist leider in der Praxis sehr selten, aber natürlich nicht ganz auszuschließen.

Viele Grüsse

Paul-Gerhard Mosch (PGM)

Bild des Benutzers Anna
Verbunden: 21. März 2003 - 0:00

Hallo,

Ich möchte gar nicht wissen, wieviele andere Glasparameter sich nicht optimal an die individuellen Sehbedinungen anpassen lassen.Wie mir z.B. gerade beim Lesen die Brille ein wenig die Nase herunterrutscht, müsste sich doch auch der optische Mittelpunkt verschieben, da der zentrale Durchblickspunkt bei PrismatikerInnen nicht in der Mitte, sondern schräg seitlich liegt...

Fazit beim Sehen ist es also, um Paul-Gerhard ein Bild aus dem Mund zu nehmen, wie in einer Ehe
ohne Toleranzbereitschaft läuft gar nichts.

Grüße,
Anna
die in diesem Faden wieder was gelernt hat

PS Eberhard, ich denke, die Toleranzbereitschaft rührt weniger von der Anisometropie als von der Wfs her
weil man als Ge:wink:elte eher mal ein Auge zudrückt.

Bild des Benutzers Kerstin Harms
Verbunden: 10. April 2002 - 0:00

Ich möchte Euch an dieser Stelle einmal zu diesem äußerst informativen Gedankenaustausch gratulieren!!

Dieser Thread sollte ein MUSS zum Lesen werden, oder/bzw. immer ganz oben stehen.

Ich habe viele Schlüsse daraus für mich und Sohnemann ziehen können.

Liebe Grüße
Kerstin

Egal was du tust, tu es mit Leidenschaft und Hingabe!

Bild des Benutzers Paul-Gerhard Mosch
Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Hallo, an alle Interessierten,

Die IVBV hat in Ihrem Forum auf einen schweizer Tageszeitungsartikel zum Thema "Falsche Brillen" vom 22.11.2003 sehr fein geantwortet.

Man findet diesen Artikel und parallel die Erwiderung unter "www.ivbv.org"
anschließend unter "Actuelles"
"Aus den Medien"
"2003 November"

Der Artikel und die Erwiderung gehen auch kurz auf Inhalte in diesem Thread ein. Sehr lesenswert!

Viele Grüsse

Paul-Gerhard Mosch (PGM)